#95 Chinatown – nicht so wie gedacht

Heute stand bei Tini als erstes wieder ein Telefondate an. Das Internet war ja jetzt wieder stabil genug, um das nachzuholen. Nach über einer Stunde Caro-Tini-Zeit machten wir uns dann fertig. Kilian war in der Zeit wieder fleißig gewesen und hatte sich weiter informiert und Sachen angeeignet. 

Mittags machten wir uns auf den Weg nach Chinatown. Wir suchten uns die Strecke raus und sahen, dass wir nur ca. eine halbe Stunde zu Fuß brauchten. Vielleicht hätten wir nicht nur googeln sollen, wie lange wir dahin brauchen würden… Wir freuten uns schon total auf Chinatown, hatten wir doch besonders Chinatown in San Francisco und London in super Erinnerung. Wir wollten also alles mögliche probieren und neue Eindrücke sammeln. Doch Chinatown in Vancouver ist nicht das was es wohl mal war. 

Als wir im Bezirk Chinatown ankamen, kam es uns schon etwas seltsam vor, dass fast alle Shops geschlossen waren. Generell waren auch wenige Leute auf der Straße. In den ersten Souvenirladen, der nicht geschlossen war, gingen wir dann natürlich direkt rein, denn schließlich war alles vorher geschlossen. Der Shop war nicht weltbewegend, aber kam man durch die Hintertür in einen kleinen süßen Park, den Dr. Sun Yat-Sen Chinese Garden. Die Anlage war etwas ungepflegt, aber hatte Charme und wir sind sicher, dass man hieraus sicher viel machen könnte. Wir spazierten eine kleine Runde in dem Garten und liefen dann tiefer rein in den Bezirk. Relativ schnell wurde es dann aber noch komischer für uns. Es roch sehr unangenehm nach Urin und die wenigen offenen Läden, die getrockneten Fisch und Gewürze verkauften, machten daraus auch keine bessere Mischung. Hier waren auch wieder ein paar Obdachlose zu sehen. Dass Vancouver ein Problem mit Obdachlosen, die häufig auch Drogenkonsumierende waren, war nichts neues für uns. Wir hatten leider schon einige Nadeln, die gerade in Arme gestochen werden, oder Crackpfeifen gesehen. Auch einige Obdachlose, die starke psychische Probleme bzw. Nebenwirkungen ihrer Drogen hatten, waren uns schon mehr als bekannt. Doch was uns hier erwartete, kannten wir bislang nur aus dem Fernsehen. 

Wir machten irgendwie zwei, drei „falsche“ Abbiegungen und waren plötzlich mitten in einer Zeltsiedlung. Die kompletten Blocks waren von Obdachlosen eingenommen, alle Läden und Restaurants leer, verriegelt und verrammelt, dafür unzählige Zelte, Menschen, die wie Zombies umher irrten, in unnatürlichsten Positionen auf der Straße lagen und fernab von gut und bös waren. Es war furchtbar anzusehen und die Situation fühlte sich für uns bedrohlich an. Wir gingen so schnell wir konnten und ohne jeglichen Augenkontakt straight durch die Blocks. Umdrehen konnten wir nicht, wollten wir doch hier nur wieder weg. Also bogen wir in die nächste Straße ein, die gefühlt nur schlimmer wurde. Nach ein paar hundert Metern kamen wir wieder auf Straße, die uns nach Chinatown gebracht hatte. Über das was wir hier mit angesehen haben, konnten wir erstmal nicht sprechen. Wir setzten uns in den nächsten Bus und wollten hier nur erstmal weg. 

Später an diesem Tag und auch die nächsten Tage sprachen wir noch viel über das was wir gesehen hatten, überlegten welche Möglichkeiten es hier geben könnte und welche staatliche Unterstützungen es wohl geben müsste. 

Im Internet haben wir auch noch einiges über das „ehemalige“ Chinatown, das nichts mehr mit dem Chinatown von noch vor ein paar Jahren zu tun hat, gelesen. Die Menschen und besonders die Einzelhändler und Gastronomen hatten wohl schon vor einiger Zeit mitgeteilt, dass dort was passiere, was nicht tragbar ist und um Unterstützung gebeten. Das ist dann die Schattenseite eines kapitalistischen Systems, welches seinen Einwohnern kaum bis keine sozialen Sicherungsmaßnahmen bietet. Leider nicht nur ein großes Problem der USA, sondern auch hier in Kanada.

Mit dem Bus fuhren wir bis kurz vor den Stanley Park und spazierten die Robson Street runter. Wir kehrten bei einem chinesischem Restaurant ein, in denen wir verschiedene Dumplings probierten. 

Abends machten wir es uns gemütlich und schauten die ersten beiden Folgen der neuen Serie „Die Ringe der Macht“ – dem Prequel von „Der Herr der Ringe“ – die heute rausgekommen waren. 

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